Eine Rezension von Michelle Szellas zur Urban-Fantasy-Reihe rund um Tarotkarten und magische Fähigkeiten sowie die Macht der Freundschaft.

Ein Mädchen verschwindet

Während sie mal wieder nachsitzen und als Strafarbeit den Abstellraum im Keller – das sogenannte Loch – aufräumen muss, findet Maeve ein Tarotspiel. Wie in Trance lässt sie dieses in ihre Tasche gleiten.

Später bringt sie sich mit Hilfe von YouTube-Tutorials bei, die Karten zu lesen und damit die Zukunft vorherzusagen. Sie scheint ein übernatürliches Gespür dafür zu haben und liegt mit ihren Vorhersagen so gut wie immer richtig. Schnell spricht es sich in ihrer Mädchenschule herum, dass sie Sitzungen anbietet. Bald stehen selbst die beliebten Mädchen, wie die Schauspielerin Fiona, bei ihr Schlange, um sich ihre Zukunft vorhersagen zu lassen.

Maeve hat keine Freunde, mit ihrer eigentlich besten Freundin Lily hat sie sich schon vor Jahren zerstritten. Durch die Tarotsitzungen freundet sie sich nach und nach mit Fiona an. Diese übernimmt die Terminverwaltung und die Zahlungsmodalitäten für die Sitzungen für sie.

Als Fiona eines Tages aus Gruppenzwang heraus Lily die Karten legt, taucht das erste Mal eine Karte auf, die sie noch nie gesehen hat und die auch normalerweise nicht zu einem Tarotdeck gehört: die Mamsell. Am Tag darauf verschwindet Lily. Und auch wenn sie nicht mehr mit ihr befreundet ist, fühlt Maeve eine Art Schuld. Sie beschließt zusammen mit Fiona und Lilys nichtbinärem Geschwister Rue, auf die Suche nach Lily zu gehen.

Die Mamsell taucht immer öfter beim Kartenlegen auf, selbst wenn Maeve sie vorher aussortiert hat. Maeve beschleicht immer mehr das Gefühl, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht. Und als sie eines Abends bei Fiona und ihrer spirituellen Mutter zu Abend isst, erfährt sie mehr über die geheimnisvolle Mamsell, die in Legenden als Rachegeist auftritt – und anscheinend auch etwas mit Lilys Verschwinden zu tun hat. Ist sie vielleicht doch real?

Dynamisch und überzeugend

Mir gefällt nicht nur der rasante und direkte Erzählstil, sondern auch die Beschreibung der Charaktere, die allesamt nachvollziehbar und gut dargestellt werden.

Der Autorin gelingt es in ihrem Debüt hervorragend, realistische Teenagercharaktere zu erschaffen, die auch mal irrational und von Emotionen geleitet handeln – und sich damit immer mal wieder Ärger einhandeln.

Zudem gefällt mir die Verknüpfung von Magie, Esoterik und Glauben und wie all diese Elemente in die reale Welt eingebettet werden.

Abgesehen von der Hauptstory rund um die verschwundene Lily geht es auch um die erste Liebe, das Hinterfragen von Geschlechteridentitäten, Homosexualität sowie Rassismus und Homophobie.

Die hie und da eingestreuten Horrorelemente kommen sehr gut zur Geltung und lassen mir das eine oder andere Mal einen kleinen Schauer über den Rücken laufen.

Die Geschichte der Mamsell, die im Verlauf der Trilogie aufgedeckt wird, zeigt anschaulich, wie Misogynie und Klassismus Einfluss auf Geschichtsschreibung und Legendenbildung nehmen können.

Die gesamte Reihe

  • O’Donoghue, Caroline: All our hidden gifts – Die Macht der Karten (Originaltitel: All Our Hidden Gifts). Aus dem Englischen übersetzt von Christel Kröning. Carlsen, 2021.
  • O’Donoghue, Caroline: Die Kraft der Talente (Originaltitel: The Gifts That Bind Us). Aus dem Englischen übersetzt von Christel Kröning. Carlsen, 2022.
  • O’Donoghue, Caroline: Das Haus der Magie (Originaltitel: Every Gift a Curse). Aus dem Englischen übersetzt von Christel Kröning. Carlsen, 2023.

Michelle Szellas
01.04.2025, aktualisiert am 08.04.2025

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