Was sind die Unterschiede zwischen dem Deutschen in Deutschland und Österreich?

Symbolgrafik: Vergleich zwischen dem österreichischen und bundesdeutschen Hochdeutsch.Deutsch wird in Deutschland, Österreich und in Teilen der Schweiz gesprochen. Allerdings ist das Deutsche keine einheitliche Sprache. Je nachdem, wo es gesprochen wird, unterscheidet es sich in der Grammatik, dem Wortschatz und der Aussprache.

Für das Deutsche gibt es etliche Dialekte, aber auch mehrere Ausprägungen der Standardsprache. Als Standardsprache wird laut Duden „die in der Öffentlichkeit gebrauchte, normgebundene und überregional geltende Erscheinungsform“ (Duden, S. 441) bezeichnet.

Die jeweiligen Ausprägungen der Standardsprache werden als Varietät bezeichnet. Die Varietäten des Deutschen fallen weitgehend mit Staatsgebieten zusammen. So werden das österreichische Deutsch, die hochsprachliche Ausprägung des Schweizerdeutschen und das Deutsche in Deutschland, das bundesdeutsche Deutsch, als nationale Varietät unterschieden.

Varianten innerhalb der Standardsprachen

Die einzelnen Unterschiede zwischen den verschiedenen Varietäten des Standard­hochdeutschen bezeichnet man als Varianten. So sind das österreichische Wort Klaubobst und die bundesdeutsche Bezeichnung Fallobst Varianten innerhalb der Standardsprache.

Die in Österreich typischen Varianten werden als Austriazismen bezeichnet. Schweizer Varianten heißen Helvetismen. In Deutschland übliche Varianten werden als Teutonismen oder Deutschlandismen bezeichnet. Austriazismen können auf verschiedene Weise entstehen. Der Duden nennt fünf Wege (vgl. Duden, S. 442 ff.), die im Folgenden näher erläutert werden.

Austriazismen aufgrund des Dialektraumes

Im österreichischen Deutsch gibt es Varianten, die aus einem Dialekt in die Standardsprache übernommen wurden. Übernahmen erfolgten aus dem Alemannischen und dem Bairischen (insbesondere dem Wienerischen).

Während Fisch nach der Standardsprache in Deutschland geräuchert wird, wird er in Österreich geselcht. Das Vollverb selchen entstammt dem Bairischen. Auch aus dem Wienerischen sind einige Wörter in das standardsprachliche Österreichisch übergegangen. Ein Beispiel dafür ist das Wort hackeln. Es ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für arbeiten, die ihren Ursprung im Wienerischen hat.

Oberdeutsche Varianten

Zu den oberdeutschen Varianten werden Varianten aufgrund der sogenannten gesamtoberdeutschen Entwicklung gezählt. Zum Oberdeutschen gehören das Süddeutsche, das Österreichische und das Schweizerische.

So heißt es im standardsprachlichen österreichischen Deutsch etwa Bub. Im standardsprachlichen Deutsch in Deutschland hingegen spricht man von einem Jungen. In Österreich wird an der Tür geläutet, in Deutschland klingelt der Besucher. Außerdem schlecken Kinder in Österreich sich die Lippen, wenn ihr Lieblingsgericht auf dem Tisch steht. In Deutschland hingegen lecken sich die Kinder in diesem Fall die Lippen.

Unterschiede in der sprachgeschichtlichen Entwicklung

Die österreichische Standardsprache hat nicht jede Entwicklung der gesamtdeutschen Standardsprache mitgemacht. Daher bestehen in Österreich häufig noch Ausdrücke, die im bundesdeutschen Standarddeutschen verlorengegangen sind.

Ein populäres Beispiel ist die österreichische Bezeichnung Jänner für Januar. Dialektale Sprecher aus Süddeutschland nutzen diesen Ausdruck häufig ebenfalls noch. In einem offiziellen Brief wird ein süddeutscher Dialektsprecher den Ausdruck trotzdem nicht verwenden, denn er gehört nicht mehr zur bundesdeutschen Standardsprache.

Verwaltungsvorschriften

Die nationale Verwaltung hat ebenfalls einen Einfluss auf die Entstehung von Varianten. Der Duden zieht als Beispiel die benotete Arbeit in der Schule heran:

Klassenarbeit, Schulaufgabe, Schularbeit, Probe, Klausur. Alle diese Bezeichnungen wären auch in Österreich denkbar. Da die Bezeichnung Schularbeit in die Verordnungen und Gesetze für das österreichische Unterrichtswesen eingegangen ist, wurde sie zu einer nationalen Variante im gesamten österreichischen Staatsgebiet.“ (Duden, S. 443 f.)

Zudem können Austriazismen durch den Einfluss der staatlichen Verwaltung auch verschwinden. So zum Beispiel das Wort Gendarmerie. Seit der Polizeireform von 2002 werden die Exekutivorgane nämlich aus Gründen der Internationalität auch in Österreich als Polizei bezeichnet (vgl. Duden, S. 444).

Einfluss von Fremdwörtern

Die geografische Lage Österreichs führte zu anderen Fremdworteinflüssen als in Deutschland und der Schweiz. Auch daraus haben sich Varianten ergeben. So wird der Nikolaus, dem Italienischen entlehnt, in der österreichischen Standardsprache als Nikolo bezeichnet. Der Nikolausabend heißt in Österreich dementsprechend Nikoloabend.

Etwas anders verhält es sich mit französischen Lehnwörtern. „Viele aus dem Französischen stammende Wörter sind bereits veraltet oder nur noch in der Umgangssprache erhalten.“ (Duden, S. 444) Dazu gehört zum Beispiel der Ausdruck Falott, womit heute noch umgangssprachlich ein Gauner bezeichnet wird. Trafik hingegen ist ein standardsprachlicher Ausdruck im österreichischen Deutschen. Es ist das Pendant zum bundesdeutschen Tabakladen.

Weiterhin haben sich Varianten aus den Einflüssen weiterer Sprachen gebildet. Im Österreichischen existieren Lehnwörter aus dem Englischen, Lateinischen, Slowenischen, Tschechischen, Slowakischen und Ungarischen.

Orientierungswerte zu Korrekturpreisen.
Österreichisch Bundesdeutsch Einfluss
dirimieren entscheiden Latein
evident; Evidenz übersichtlich; Übersichtlichkeit Latein
Fogosch Zander Ungarisch
Inquisit Häftling Latein
inskribieren einschreiben Latein
Juice Saft Englisch
Kaluppe baufälliges Haus Tschechisch
Keusche kleines Bauernhaus Slowenisch
Konsumation Verzehr Latein
Kren Meerrettich Slawisch
lukrieren Gewinn erzielen Latein
Mulatschag ausgelassenes Fest Ungarisch
perlustrieren durchsuchen Latein
prolongieren verlängern Latein
Radialstraße vom Stadtzentrum zum Stadtrand führende Straße Latein
Realitäten Immobilien Latein
refundieren zurückerstatten Latein
Remuneration Vergütung Latein
Schinakel Boot Ungarisch

Österreichische Phraseologismen

Das Duden-Wörterbuch des österreichischen Deutsch fast mehr als 8000 Stichwörter. Mit seiner Hilfe kann man sich ein genaues Bild über die Unterschiede zwischen dem österreichischen und dem bundesdeutschen Wortschatz machen. Dazu gehören auch sogenannte Phraseologismen, also Redewendungen, Redensarten und Sprichwörter. Wir stellen nachfolgend Phraseologismen vor, die in der alltäglichen Kommunikation von Bedeutung sind.

Zuerst einige Redewendungen (alle Beispiele aus Duden, S. 453 f.):

Orientierungswerte zu Korrekturpreisen.
Österreichisch Bundesdeutsch
im letzten Abdruck im letzten Augenblick
anno Schnee vor langer Zeit
in Evidenz halten auf dem Laufenden halten, registrieren
erste Reihe fußfrei sich in einer günstigen Situation befindend
zum Handkuss kommen draufzahlen
in Karenz gehen einen Karenzurlaub bzw. Mutterschaftsurlaub antreten
auf zwei/vielen Kirchtagen/Kirtagen tanzen überall dabei sein (wollen)
im Krankenstand [sein] krankgemeldet sein
in den Krankenstand gehen sich krankmelden
in Verwendung stehen verwendet werden
außer Streit stellen nicht in Zweifel ziehen
in Summe insgesamt
keinen Tau von etwas haben keine Ahnung haben
die Überfuhr verpassen/versäumen die Chancen vorbeigehen lassen
am Wort sein in einer Diskussion das Wort haben
[jemandem] im Wort bleiben eine Vereinbarung, Zusage einhalten

Und hier noch einige Redensarten (alle Beispiele aus Duden, S. 454):

Orientierungswerte zu Korrekturpreisen.
Österreichisch Bundesdeutsch
Da schau her! Sieh einmal an!
Das macht das Kraut nicht fett! Das macht den Kohl nicht fett!
Die Suppe ist dünn. Die Fakten für ein weiteres Vorgehen sind nicht ausreichend.
[Na] servus! umgangssprachlicher Ausdruck der Überraschung
Nix is(t) fix! Alles ist offen!
Passt schon! Ist in Ordnung!
Wir werden keinen Richter brauchen! Wir regeln das unter uns!

Und schließlich noch ein paar Beispiele (aus Duden, S. 454) für feste Attribuierungen (Substantiv mit Attribut, die zusammen eine feste Bedeutung haben):

Orientierungswerte zu Korrekturpreisen.
Österreichisch Bundesdeutsch
Aktion scharf polizeiliche Schwerpunktkontrolle
die Grüne Mark Steiermark
faschierte Laibchen Buletten, Frikadellen
elektronische Geldbörse Chipkarte für den bargeldlosen Zahlungsverkehr
wilde[r] Abgeordnete[r] keiner Partei angehörige[r] Abgeordnete[r]

Wortbedeutungen

Viele Wörter im Österreichischen sind Austriazismen, obwohl es sie auch im Gemeindeutschen gibt. Die Varianten unterscheiden sich jedoch in der Wortbedeutung. In der folgenden Tabelle sind einige Beispiele aufgeführt:

Orientierungswerte zu Korrekturpreisen.
Stichwort Gemeindeutsch Zusätzliche Bedeutung in Österreich
Aussendung das Aussenden Pressemitteilung
Beilage

1. etwas in einer Zeitung usw. Beigelegtes

2. Gemüse, Kartoffeln usw., die zu einer Fleischspeise gereicht werden

etwas, was einem Brief, einem Gesuch usw. beigelegt wird (bundesdeutsch: Anlage)
Gebrechen körperlicher Schaden Schaden an Installationen
Havarie Unfall, Schaden an Flugzeugen und Schiffen Unfall, Schaden an Kraftfahrzeugen
heikel schwierig, gefährlich, delikat wählerisch beim Essen
leeren 1. leer machen: das Glas leeren
2. leer werden: der Saal leerte sich
ausgießen, schütten: das Wasser, den Kübel ins Gras leeren
Rettung das Retten, Bewahren

1. Rettungsdienst
2. Rettungswagen

Schiefer eine Gesteinsart Holzsplitter
Vorwort Einleitung zu einem Buch Präposition

Alle Beispiele aus Duden, S. 455 ff.

Wortbildung

Ein wesentlicher Unterschied in den Varietäten des Bundesdeutschen und des Österreichischen ist die Verwendung des Fugen-s. In Österreich wird das Fugen-s besonders nach Gaumenlauten – g, k, ch – gesetzt. Beispiele hierfür sind Fabriksarbeiter, Gelenksentzündung, Gepäcksaufgabe, Gesangsbuch.

Im Bundesdeutschen werden alle diese Wörter ohne Fugen-s geschrieben. Es gibt zudem eine Reihe von Wörtern, in denen im Österreichischen kein Fugen-s, jedoch im Bundesdeutschen eines verwendet wird. So heißt es beispielsweise im Österreichischen Adventkranz und im Bundesdeutschen Adventskranz.

Verkleinerungsform

Im österreichischen Deutsch wird gerne verniedlicht. Häufig wird der Diminutiv mit der Verkleinerungssilbe -erl gebildet. Damit werden laut Duden in der Umgangssprache zwei Ziele verfolgt:

  • tatsächliche Verkleinerung: Mauserl, Hauserl,
  • Ausdruck emotionaler Zuwendung: Enkerl, Schifferl.

Es gibt aber auch in der Standardsprache Wörter, die in ihrer normalen Form auf -erl enden. Bei ihnen drückt die Endsilbe keine Verkleinerung aus. Beispiele sind Zuckerl (bundesdeutsch: Bonbon) und Flankerl (bundesdeutsch: Fussel, Flocke). Zudem gibt es im Österreichischen auch die Verkleinerung durch das Suffix -l, wie in Dirndl oder Kastl. In Voralberg wird auch die Nachsilbe -le genutzt, um eine Verkleinerungsform zu bilden. Beispiele sind Flädle und Säckle.

Formelle und informelle Standardsprache

Für österreichische Sprecher ist immer wieder die Unterscheidung zwischen formell und informell zu treffen. Hier gibt es nämlich zahlreiche Ausdrücke, die in bestimmten öffentlichen Situationen nicht gebraucht werden. Dabei geht es jedoch nicht um umgangssprachliche Ausdrücke, sondern tatsächlich um Wörter, die zur Standardsprache gehören. Der Kasten etwa ist laut Duden ein standardsprachliches Wort im österreichischen Deutsch. Allerdings wird im Handel der formelle Ausdruck Schrank verwendet (vgl. Duden, S. 442).

Quellenangabe

Ebner, Jakob: Duden. Wie sagt man in Österreich? Wörterbuch aus dem österreichischen Deutsch. 4. Auflage. Berlin 2009.

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Kommentar von Markus Diermayer |

Sehr geehrter Herr Unker,

es heißt sprachwissenschaftlich richtig "Bairisch" und nicht "Baierisch". Zusätzlich setzt sich das Österreichische Deutsch aus Bairisch und Alemannisch (bitte nicht mit Doppel-l schreiben) zusammen und ergibt so das für Österreich typische Oberdeutsch. Das Wienerische ist eine Unterkategorie des Bairischen und steht auf einer Stufe mit dem Steirischen, dem Kärntnerischen etc.

Grüße aus Österreich
M. Diermayer

Kommentar von Evgenij Unker | Lektorat Unker |

Vielen Dank für die wertvollen Hinweise, Herr Diermayer! Wir haben Ihre Korrekturen eingearbeitet.

Kommentar von Hannes Töfferl Klagenfurt |

DAS Bayerische oder Bairische , ja schon darin erkennt man dass man sich nie einig sein wird was Baiern oder Bayern oder Alpenbaiern bzw Österreicher der heutigen Republik Österreich sind.
Ausgehen müssen wir von Nordbairischen Mittelbairischen und Südbairischen Dialekten, die alle eine eigene Färbung haben.
Besonders im Südbairischen wie Tirol , Kärnten bzw Südtirol ist wohl der Erweis erbracht , das diese Völker romanisch , slawisch und germanisch durchmischt sind .
Besonders in Kärnten wo man heute noch zwei Sprachen spricht Slowenisch und Deutsch.
Der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn hat dieses Gebiet über Jahrhunderte sprachlich befruchtet und auch kulinarisch.
Im bayrischen Sprachraum kann man die Vielfalt Europas erkennen, die sich hinter Trationen versteckt und auch zeigt.

Liebe Grüße, aus Kärnten/ Koroska / Carinzia . HANNES Toefferl

Kommentar von Tatjana |

Hallo, vielen Dank für diesen ausführlichen Artikel. Eins ist mir jedoch noch nicht ganz deutlich: Werden (alle) Beispiele (Wörter und Redewendungen) wie das Fugen-s auch schriftlich verwendet? Das ist mir noch nicht ganz deutlich, ob die Wörter auch im Schriftlichen Verwendung finden oder nur im Umgangssprachlichen. Ich möchte zum Beispiel wissen, ob es Redewendungen, Grammatik und Wörter gibt, die ich bei der Erstellung von Werbeanzeigen für den österreichischen Markt beachten muss.
Vielen Dank im Voraus und einen herzlichen Gruß.

Kommentar von Ludwig Nömyer |

Sehr geehrte Kommune der Sprachliteratur. Ich bin vom Institut für Sprachwissenschaft Wien und möchte mein tiefstes Beileid aussenden. Diese Darstellung der Österreichischen Sprache ist zu tiefst geistig.

Ich bitte um Verständnis!

Grüße aus der Ostmark

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