Ein minderjähriges Superhirn will den Elfen ihr Gold stehlen, um seine Familie vor dem Ruin zu bewahren. Das ist der Start einer achtbändigen Fantasy-Reihe des irischen Schriftstellers Eoin Colfer. Michelle Szellas führt uns in die Reihe ein.
Jung, aber oho
Der 12-jährige Artemis Fowl ist, seitdem sein Vater Artemis Fowl Senior verschwunden ist, mehr oder weniger das Oberhaupt der irischen Verbrecherdynastie. Obwohl er noch so jung ist, ist er bereits ein kriminelles Superhirn. Da seine Mutter seit dem Verschwinden seines Vaters in Halluzinationen versunken ist und meistens nicht mehr weiß, wer sie ist und wo sie sich befindet, trägt er die Verantwortung für sie beide sowie für ihre Angestellten. Ihm ist klar, dass er Geld auftreiben muss – und das wird er nicht auf legalem Wege tun.
Durch intensive Recherche und seine vielfältigen Sprachkenntnisse ist er darauf gestoßen, dass Elfen, Kobolde und andere mystische Wesen durchaus real sind. Durch mehrere Tricks eignet er sich ihr Wissen aus dem „Buch der Unterirdischen“ an, in dem alles zu ihrer Lebensweise steht. Als er in dem „Buch“ liest, dass die unter der Oberfläche lebenden Wesen einen Goldschatz besitzen, schmiedet er einen Plan: Er will einen von ihnen entführen, um eine Tonne Gold zu erpressen und damit seine Familie vor dem finanziellen Ruin zu retten.
Doch wie entführt man ein unterirdisch lebendes Wesen, dessen Volk es sich zur Aufgabe gemacht hat, vor den Menschen versteckt zu bleiben, und das darüber hinaus noch über magische Kräfte verfügt? Artemis erfährt in dem „Buch“, dass Elfen und andere magiebegabte Wesen regelmäßig an die Oberfläche kommen müssen, um das Ritual zu vollziehen, bei dem sie ihre „Magie“ aufladen können.
Zusammen mit seinem Leibwächter Butler findet er die Orte heraus, an denen das Ritual durchgeführt werden kann, und gemeinsam observieren sie diese. Und tatsächlich: Sie können die Elfe Holly Short entführen, die bei der ZUP (Zentrale Untergrund-Polizei) arbeitet. Diese ist nicht nur davon überrascht, von Menschen entführt zu werden, sondern auch davon, dass diese sich ihrer Magie erwehren können. Denn Artemis gilt nicht ohne Grund als Genie: Mit den Informationen aus dem „Buch“ hat er es geschafft, Vorkehrungen zu treffen, sodass die Magie der Elfe bei ihm nicht wirkt.
Holly ist allerdings nicht ohne Grund Polizistin. Sie ist kämpferisch und intelligent und ersinnt Wege, um Artemis zu entfliehen. Meistens ist er ihr allerdings einen Schritt voraus. Als die ZUP einen Zeitstopp über das Anwesen der Fowls legt und gewaltsam mit einem Troll eindringt, läuft alles aus dem Ruder, und selbst der überaus intelligente Fowl kann nicht jeden Schachzug vorhersehen.
Unterhaltsame Lektüre
Das Buch strotzt nur so vor Humor und sarkastischen Einwürfen und schafft es jedes Mal aufs Neue, mich zu begeistern. Die Charaktere sind so herrlich geschildert und facettenreich: vom blasierten Artemis Fowl, seinem wortkargen und gefährlichen Leibwächter Butler bis hin zum Zentauren Foaly, der die Technikabteilung der ZUP leitet und die meisten Elfen gelinde gesagt für beschränkt hält.
Die Intelligenz von Artemis Fowl, der die meisten Aktionen der Unterirdischen vorhersieht, begeistert mich von Beginn an, auch wenn er nicht unbedingt ein Sympathieträger ist. Ich bin die ganze Zeit hin- und hergerissen, ob ich ihm die Daumen drücke – schließlich ist er letzten Endes nur ein Kind, das seine Mutter beschützen möchte – oder doch eher den Elfen. Die Erzählung ist smart aufgebaut, als Leser erfährt man nie direkt alles, sondern erst nach und nach entfaltet sich der geniale Plan des Kriminellen – und wie weitreichend und ausgefuchst er ist.
Insgesamt hat die Reihe acht Bände, die ich alle sehr gerne lese, aber der erste gefällt mir am besten. Die Geschichte ist gut durchdacht, die Dialoge zwischen den Figuren lebendig und unterhaltsam und auch die Actionszenen so lebhaft geschildert, dass sie gleich in meinem Kopf Gestalt annehmen.
Tatsächlich wird das Buch 2020 auch verfilmt, sogar mit Dame Judi Dench und Colin Farrell. Allerdings ist der Film unterirdisch schlecht. Die Handlung weicht stark vom Buch ab. Und von der Sympathie, die ich für die meisten Charaktere beim Lesen empfinde, bleibt beim Filmgucken kaum etwas übrig: Die Film-Charaktere erscheinen mir sehr blass und weichgespült.
Das Buch
- Colfer, Eoin: Artemis Fowl (Originaltitel: Artemis Fowl). Aus dem Englischen übersetzt von Claudia Feldmann. List, 2001.
Weitere Bände der Reihe
- Colfer, Eoin: Artemis Fowl – Die Verschwörung (Originaltitel: Artemis Fowl: The Arctic Incident). Aus dem Englischen übersetzt von Claudia Feldmann. List, 2002.
- Colfer, Eoin: Artemis Fowl – Der Geheimcode (Originaltitel: Artemis Fowl: The Eternity Code). Aus dem Englischen übersetzt von Claudia Feldmann. List, 2004.
- Colfer, Eoin: Artemis Fowl – Die Rache (Originaltitel: Artemis Fowl: The Opal Deception). Aus dem Englischen übersetzt von Claudia Feldmann. List, 2006.
- Colfer, Eoin: Artemis Fowl – Die verlorene Kolonie (Originaltitel: Artemis Fowl: The Lost Colony). Aus dem Englischen übersetzt von Claudia Feldmann. List, 2008.
- Colfer, Eoin: Artemis Fowl – Das Zeitparadox (Originaltitel: Artemis Fowl & The Time Paradox). Aus dem Englischen übersetzt von Claudia Feldmann. List, 2010.
- Colfer, Eoin: Artemis Fowl – Der Atlantis-Komplex (Originaltitel: Artemis Fowl: The Atlantis Complex). Aus dem Englischen übersetzt von Claudia Feldmann. List, 2011.
- Colfer, Eoin: Artemis Fowl – Das magische Tor (Originaltitel: Artemis Fowl and the Last Guardian). Aus dem Englischen übersetzt von Claudia Feldmann. List, 2013.
Michelle Szellas
07.08.2025
Hinterlassen Sie einen Kommentar
Haben Sie eine Frage, Ergänzung oder Anregung? Hinterlassen Sie hier Ihren Kommentar. Er wird nach der Prüfung durch den Moderator sichtbar.
Wenn Ihnen der Artikel gefällt, verlinken Sie ihn bitte auf Ihrer Homepage oder teilen Sie den Link in Social Media. Danke!