Michelle Szellas stellt den spannenden Fantasy-Roman über Sprache und Macht, Rassismus und Kolonialismus vor, der ohne erhobenen Zeigefinger auskommt.
Fantasy für Sprachliebhaber
Der chinesische Waisenjunge Robin wird 1828 von einem Professor nach Oxford gebracht und lernt Latein, Altgriechisch und Chinesisch, um an der Universität Oxford studieren zu können, dem Zentrum des Wissens und der Macht.
Oxford – auch Babel genannt – ist nicht nur ein Ort des Wissens, sondern auch ein Ort der Magie. Tatsächlich wird hier Magie mit Sprache kombiniert, was mich als Sprachliebhaberin ungemein fasziniert. In Babel lernen die Studierenden, Silberbarren mithilfe von Übersetzungen zu verzaubern.
Robin findet neue Freunde, widmet sich seinen Studien und ist alles in allem sehr glücklich. Doch dann beginnt England einen Krieg mit China – um Silber und Opium. Robin findet sich nicht nur in einem Gewissenskonflikt wieder, sondern auch mit einer Geheimorganisation konfrontiert, die ihn in gefährliche Machenschaften involviert.
Der Roman ist eindeutig dem Fantasy-Genre zuzuordnen, auch wenn die Parallelen zur realen Welt deutlich werden.
Aufklärung ohne erhobenen Zeigefinger
Was dieses Buch für mich ganz besonders (und vielleicht für einige sehr anstrengend) macht, sind die manchmal langen Erklärungen zur Herkunft von Wörtern und deren Übersetzungen.
Themen wie Kolonialisierung werden kritisch angesprochen, ebenso wie Sklaverei, blinde Loyalität und ihre Auswirkungen, wie mächtig Wissen sein kann und wie sich Rassismus strukturell auswirkt. Die Kapitalismuskritik kommt natürlich auch nicht zu kurz.
Bei all den großen und interessanten Themen kommt die Autorin ohne erhobenen Zeigefinger aus. Die Themen tragen auf natürliche Weise zu einer gelungenen Geschichte bei.
Die Charaktere sind vielschichtig und auch die Beziehungen zwischen den Figuren werden nachvollziehbar beschrieben. Die Zurückhaltung, mit der Robin vielen der anderen Personen begegnet, weil er viele Ausgrenzungserfahrungen machen musste, ist absolut nachvollziehbar und umso schöner ist es dann, mitzuerleben, wie er nach und nach seine Zurückhaltung fallen lässt und sich auf die Freundschaften einlassen kann.
Mein gesamter Freundeskreis und ich sind komplett begeistert von diesem Werk: dem kritischen Umgang mit Kolonialisierung, den diversen sprachlichen Erklärungen und der spannenden Storyline.
Das Buch
Kuang, Rebecca F.: Babel (Originaltitel: Babel). Aus dem Englischen übersetzt von: Heide Franck und Alexandra Jordan. Eichborn, 2023.
Michelle Szellas
03.04.2025, aktualisiert am 22.04.2025
Hinterlassen Sie einen Kommentar
Haben Sie eine Frage, Ergänzung oder Anregung? Hinterlassen Sie hier Ihren Kommentar. Er wird nach der Prüfung durch den Moderator sichtbar.
Wenn Ihnen der Artikel gefällt, verlinken Sie ihn bitte auf Ihrer Homepage oder teilen Sie den Link in Social Media. Danke!