Michelle Szellas führt in den ersten Band der „Alex Verus“-Buchreihe ein – die Urban-Fantasy-Romane über den Kampf zwischen Weiß- und Schwarzmagiern in London.

Schwarz oder weiß?

Im Kampf zwischen Weiß- und Schwarzmagiern versucht der Divinationsmagier Alex Verus unparteiisch und unabhängig zu bleiben. Das heißt allerdings auch, dass er auf sich selbst gestellt ist und aufpassen muss, nicht zum Spielball der einen oder der anderen Seite zu werden.

Aufgrund seiner Vergangenheit als Lehrling eines gefährlichen Schwarzmagiers sind die Weißmagier überzeugt, dass er nicht auf ihrer Seite steht, sondern auf der des Feindes.

„Schwarzmagier“ bedeutet übrigens nicht, dass diese zwangsläufig böse sind. Es geht vielmehr um verschiedene Weltansichten - die Schwarzmagier würden am liebsten von niemandem Befehle entgegennehmen und lassen sich durch Stärke des Einzelnen regieren, während die Weißmagier die Stärke in der sozialen Gemeinschaft sehen. So lassen sich die beide Parteien trotz der Schwarz-/Weiß-Prämisse nicht einfach in Gut und Böse einteilen.

Alex Verus hat allerdings damit abgeschlossen, sich für eine Seite entscheiden zu müssen und möchte einfach nur unbehelligt leben und seinen Laden mit allerlei Obskurem in London führen. Das ändert sich, als er seinen menschlichen Schützling Luna aufnimmt, auf der ein Fluch lastet. Eigentlich handelt es sich bei dem Fluch um Glück, das sie selbst betrifft, aber Unglück für alle in ihrer Umgebung bedeutet, was dazu führt, dass Luna seit Jahren alleine und zurückgezogen lebt.

Immer wieder versuchen beide Seiten Verus für sich zu gewinnen, häufig unter Zuhilfenahme von Gewalt und Drohungen. Da er nicht damit einzuschüchtern ist, dass sein eigenes Leben bedroht wird, verlagern sich seine Gegenspieler darauf, ihm damit zu drohen, seine Freunde zu entführen, zu foltern oder zu töten. Im Verlauf der zwölfbändigen Reihe lernen die Leser eine ganze Reihe verschiedener Zauberer kennen, die mehr oder weniger gewissenlos ihre eigenen Ziele verfolgen. Die meisten der Zauberer im Rat wollen mehr Macht, mehr Einfluss oder mehr Reichtum gewinnen und gehen dafür durchaus auch über Leichen.

Bis zum Schluss durchgehaltener Spannungsbogen

Durch die Ich-Perspektive bekommt man einen sehr guten Eindruck von der Gefühls- und Gedankenwelt des Protagonisten, der eigentlich nur in Ruhe gelassen werden möchte, sich aber immer wieder in Situationen wiederfindet, in denen er sich verteidigen oder gar angreifen muss.

Seine komplizierte Beziehung zu seinem Ex-Lehrmeister sowie zu seinen ehemaligen Mitlehrlingen zieht sich durch die ganze Reihe. Durch hie und da eingestreute Informationen setzt sich erst gegen Ende ein vollständiges Bild zusammen. Die Lehrzeit von Alex Verus war geprägt durch Machtkämpfe, Bestrafungen und heftigen Missbrauch, auch von den Lehrlingen untereinander, was schlussendlich auch einem Lehrling das Leben kostete.

Trotz vieler actionreicher Kampfszenen und Intrigen geht es auch sehr viel um Politik innerhalb der Zaubererwelt und die Taktiken, die nötig sind, um zu überleben. Natürlich schafft es Verus nicht, der Einzelkämpfer zu bleiben, der er gerne wäre, sondern schart im Verlauf einige gute Freunde um sich, die ihm zwar helfen und unterstützen, ihn aber gleichzeitig verletzlich machen.

Magie und Politik

Die Welt, die der Autor entwirft, ist relativ komplex. Es gibt unterschiedliche Magiearten, wie Elementarmagie, Divinationsmagie, Glücksmagie, Lebensmagie oder Geistmagie, Begabungen in den verschiedenen Magiearten, magische Artefakte, magische Wesen (Elementargeister, Drachen, die riesige Spinne Arachne oder auch Nymphen), unterschiedliche Dimensionen und Schattenreiche. Wem danach noch nicht der Kopf schwirrt, kann sich gerne von den unterschiedlichen politischen Positionen im Zaubererrat weiter verwirren lassen. Diese sind häufig von persönlichen Abneigungen oder Sympathien geleitet, aber auch durch Opportunismus, je nachdem, wer gerade die meiste Macht hat.

Mir gefällt die Komplexität sehr gut und ich finde auch den politischen Aspekt sehr spannend, unterscheidet sich doch die Zaubererwelt dahingehend wenig von der echten Welt. Die Charaktere sind vielschichtig, es gibt kein klares Gut oder Böse und trotz der Einteilung in Schwarz- und Weißmagier gibt es doch allerlei graue Schattierungen der Charaktere und Handlungen.

Ich freue mich beim Lesen immer auf den nächsten Band. Inzwischen sind es zwölf Bände. Die Irrungen, Wirrungen und Plottwists sind manchmal ein wenig vorhersehbar. Einiges überrascht mich allerdings selbst als versierte Fantasyleserin und lässt mich verwirrt und kopfschüttelnd zurück. Insbesondere der Verrat durch einige der engsten Freunde von Verus (und welche Dimensionen dieser annimmt) kann ich nicht vorhersehen. Die Wendung überrumpelt mich vollkommen – aber ich will an dieser Stelle nicht zu viel verraten.

Aus dem Englischen übersetzt wurde die Reihe übrigens von Michelle Gyo, die – genau wie ich – Buchwissenschaft in Mainz studiert hat. In einer meiner Univeranstaltungen war sie als Gast geladen. Sie erzählte, wie viel Spaß es gemacht habe, diese Bücher zu übersetzen, da sie selber kreativ bei der Übersetzung werden konnte. Insbesondere die vielen Ausdrücke der magischen Welt und Bezeichnungen stellten ihre Kreativität auf die Probe und sie erzählte, wie stolz sie war, wenn sie einen treffenden Ausdruck gefunden hatte.

Das Buch

  • Jacka, Benedict: Alex Verus – Das Labyrinth von London (Originaltitel: Fated). Aus dem Englischen übersetzt von: Michelle Gyo. Blanvalet, 2018.

Weitere Bände der „Alex Verus“-Reihe

  • Das Ritual von London (Originaltitel: Cursed). Aus dem Englischen übersetzt von: Michelle Gyo. Blanvalet, 2019.
  • Der Magier von London (Originaltitel: Taken). Aus dem Englischen übersetzt von: Michelle Gyo. Blanvalet, 2019.
  • Der Wächter von London (Originaltitel: Chosen). Aus dem Englischen übersetzt von: Michelle Gyo. Blanvalet, 2020.
  • Der Meister von London (Originaltitel: Hidden). Aus dem Englischen übersetzt von: Michelle Gyo. Blanvalet, 2020.
  • Das Rätsel von London (Originaltitel: Veiled). Aus dem Englischen übersetzt von: Michelle Gyo. Blanvalet, 2021.
  • Die Mörder von London (Originaltitel: Burned). Aus dem Englischen übersetzt von: Michelle Gyo. Blanvalet, 2021.
  • Der Gefangene von London (Originaltitel: Bound). Aus dem Englischen übersetzt von: Michelle Gyo. Blanvalet, 2022.
  • Der Geist von London (Originaltitel: Marked). Aus dem Englischen übersetzt von: Michelle Gyo. Blanvalet, 2023.
  • Die Verdammten von London (Originaltitel: Fallen). Aus dem Englischen übersetzt von: Michelle Gyo. Blanvalet, 2023.
  • Der Jäger von London (Originaltitel: Forged). Aus dem Englischen übersetzt von: Michelle Gyo. Blanvalet, 2024.
  • Der Retter von London (Originaltitel: Risen). Aus dem Englischen übersetzt von: Michelle Gyo. Blanvalet, 2024.

Michelle Szellas
02.04.2025, aktualisiert am 22.04.2025

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