Ein Märchenwald und eine Schule, die Prinzessinnen und Hexen für ihre Rolle in Märchen ausbildet. Und die uralte Frage: Was ist gut und was ist böse?
Michelle Szellas führt in den ersten Band der Fantasy-Reihe „The School for Good and Evil“ von Soman Chainani ein.
Ein Mädchen träumt davon, entführt zu werden
Aus dem Dorf Gavaldon werden alle vier Jahre zwei Kinder entführt: eines gutherzig und schön, eines in der Regel ein Außenseiter und als eher hässlich angesehen. Der Entführer ist der Schulleiter der Schule für Gute und Böse, auf der die Kinder auf ihre jeweiligen Rollen in Märchen vorbereitet werden sollen.
Die Dorfbewohner finden dies im ortsansässigen Bücherladen heraus – durch Märchenbücher, die auf mysteriöse Weise dort auftauchen und in denen die entführten Kinder als Protagonisten abgebildet sind. Auf der Schule für Gut werden Prinzessinnen, Prinzen und gute Feen ausgebildet, während auf der Schule für Böse die Gegenspieler wie Hexen, Monster und ähnliche Kreaturen ausgebildet werden.
Die schöne Sophie träumt davon, entführt zu werden, auf die Schule für Gut zu gehen und als Prinzessin ausgebildet zu werden. Sie versucht stets, sich dieser Rolle gerecht zu verhalten, ist nett zu allen und freundet sich mit der Außenseiterin Agatha an, der sie oft versucht, ihre obskuren Schönheitskuren anzudrehen.
In der Nacht der Entführung versucht Sophie, es den Entführern so leicht wie möglich zu machen: Die Bretter, die ihr besorgter Vater vor ihr Fenster nagelt, nimmt sie ab und lässt ihr Fenster offen stehen. Als sie tatsächlich entführt wird, wehrt sie sich nicht und kommt bereitwillig mit den dunklen Schattengestalten mit. Agatha hingegen, die ebenfalls entführt wird, wehrt sich und versucht, den Entführern zu entkommen. Das nützt allerdings wenig und kurze Zeit später finden die beiden sich auf den jeweiligen Schulen wieder.
Zu ihrer großen Verwirrung landet allerdings Sophie auf der Schule für Böse und Agatha auf der für Gut. Während Agatha Kurse wie „Prinzessinnen-Etikette“ oder „wie finde ich meinen Prinzen?“ belegt, nimmt Sophie an Kursen zur Steigerung ihres Gruselfaktors oder einem Kochkurs für die besten Rezepte mit Kindern - als Nahrungsmittel, nicht als Küchenhilfe - teil. Agatha möchte einfach nur wieder nach Hause in ihr Dorf, während Sophie es sich zur Aufgabe macht, den Schulleiter zu finden und diesem klarzumachen, dass er einen Fehler gemacht hat und sie doch auf die Schule für Gut schicken muss, denn sie ist weiterhin davon überzeugt, dass sie eine Prinzessin ist. Obwohl Agatha eigentlich was anderes will, unterstützt sie Sophie bei ihrer Suche nach dem Schulleiter.
Tatsächlich gelingt es den beiden auch, den Schulleiter zu finden. Dieser lässt sich allerdings nicht erweichen und beginnt stattdessen damit, das Märchen der beiden zu schreiben. Er gibt ihnen ein Rätsel mit auf den Weg, das sie lösen müssen, um wieder nach Hause zu kommen: „Was hat Gut, was Böse nie bekommt?“ Die Antwort ist: Der wahren Liebe Kuss.
Jetzt hat Sophie einen klaren Plan: Sie muss den Star der Schule für Gut küssen, Tedros von Camelot, den Sohn von König Artus. Agatha will ihr dabei helfen, schließlich möchte sie unbedingt nach Hause in ihr Dorf zurück. Im Zuge dieses Plans kommt es zum Zerwürfnis der beiden Mädchen. Sophie erklärt Agatha zu ihrer Nemesis (der Göttin der Rache in der griechischen Mythologie), die sie in ihrem Märchen besiegen muss und setzt alles daran, ihr nach dem Leben zu trachten – aus Freundinnen werden Feindinnen.
Verwirrend und nicht immer glaubwürdig
Die Prämisse mit der Ausbildung für die Märchen finde ich sehr spannend (und natürlich liebe ich seit „Harry Potter“ magische Schulen) und auch der Schreibstil gefällt mir gut, wenn er auch häufig etwas zu schnöde daherkommt. Ich kann mir das Setting sehr gut vorstellen und auch die Charakterbeschreibungen sind sehr ausführlich und helfen dabei, sich die Charaktere lebhaft vorstellen zu können. Von Anfang habe ich bei Sophie das Gefühl, dass sie nicht wirklich gut ist – und bin begeistert, als ich meine Vermutung bestätigt finde.
Positiv fallen mir die tollen Illustrationen von Iacopo Bruno auf, die das Buch sehr bereichern. Auf Doppelseiten sind beispielsweise die Schulen abgebildet, die man sich so noch viel besser vorstellen kann.
Allerdings finde ich die Geschichte verwirrend, gerade gegen Ende des ersten Bandes. Vieles ist an den Haaren herangezogen – selbst für eine Welt, in der Märchen real sind. Spoiler: beispielsweise, dass der Schulleiter eine Schreibfeder ist, seinen Bruder umgebracht hat und sich in Sophie verliebt. Ich weiß nicht, ob es an meiner mangelnden Vorstellungskraft liegt oder doch daran, dass besonders dieser Part meiner Meinung nach nicht gut beschrieben ist, auf jeden Fall finde ich diesen Teil der Geschichte sehr unglaubwürdig und er erschließt sich mir nicht wirklich.
Die philosophische Frage, was eigentlich Gut und Böse ist, finde ich per se interessant und an einigen Stellen gut umgesetzt, aber dennoch habe ich das Gefühl, dass der Autor zu schnell zu viel Geschichte unterbringen will und deshalb gutes Storytelling auf der Strecke bleibt. Es werden viele Geschichten angebrochen und meiner Meinung nach nicht gut auserzählt, dann aber schnell zum Ende gebracht, was für mich das Leseerlebnis beeinträchtigt hat. Meinem Gefühl nach wurde gerade gen Ende sehr viel Hin und Her gesprungen, sodass für mich gar nicht nachvollziehbar war, weshalb die Charaktere so handeln. Auch der Übergang von einer zur anderen Szene ist häufig holprig und nicht immer nachvollziehbar und wirkt häufig gehetzt. Positiv finde ich hingegen das Aufgreifen von Klischees in Märchen, die humoristischen Erklärungen, wie sie in Märchen zustande kommen oder auch die Verdrehung dieser. Außerdem gefällt mir sehr gut, dass der Autor seine Doktorarbeit über Märchen und die Rollen von Frauen darin geschrieben hat und die tiefgehende Recherche macht sich im Buch bemerkbar, in dem man auf allerlei bekannte Märchenfiguren trifft.
Obwohl mich dieser erste Band der Reihe nicht überzeugen konnte, habe ich noch den zweiten und dritten gelesen und auch den Film geschaut. Ich habe hauptsächlich weitergelesen, weil ich an Teilen der Geschichte per se interessiert war und vor allem mehr über die interessanten Nebencharaktere und deren Hintergründe erfahren wollte - was ich getan habe. Außerdem gefallen mir persönlich Geschichten über Freundschaft sehr gut und diese gehört definitiv dazu.
Das Buch
- Chainani, Soman: The School for Good and Evil – Es kann nur eine geben (Originaltitel: The School for Good and Evil). Aus dem Englischen übersetzt von Ilse Rothfuss. Ravensburger, 2015.
Weitere Bände der Reihe
- Chainani, Soman: The School for Good and Evil – Eine Welt ohne Prinzen (Originaltitel: A World Without Princes). Aus dem Englischen übersetzt von Ilse Rothfuss. Ravensburger, 2016.
- Chainani, Soman: The School for Good and Evil – Und wenn sie nicht gestorben sind (Originaltitel: The Last Ever After). Aus dem Englischen übersetzt von Ilse Rothfuss. Ravensburger, 2017.
- Chainani, Soman: The School for Good and Evil – Ein Königreich auf einen Streich (Originaltitel: Quests for Glory). Aus dem Englischen übersetzt von Ilse Rothfuss. Ravensburger, 2018.
- Chainani, Soman: The School for Good and Evil – Wer ist der Stärkste im ganzen Land? (Originaltitel: A Crystal of Time). Aus dem Englischen übersetzt von Ilse Rothfuss. Ravensburger, 2020.
- Chainani, Soman: The School for Good and Evil – Ende gut, alles gut? (Originaltitel: One True King). Aus dem Englischen übersetzt von Ilse Rothfuss. Ravensburger, 2021.
Michelle Szellas
22.04.2025, aktualisiert am 28.04.2025
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