Michelle Szellas stellt den Dark-Fantasy-Roman „Der Kinderdieb“ von Gerald Brom vor – eine moderne Horror-Fabel nach den Motiven von Peter Pan.
Peter Pan neu erzählt
Nachts streift ein seltsamer Junge, der sich Peter nennt, durch die Straßen von New York und freundet sich mit den Kindern auf der Straße an. Er erzählt ihnen von einem Land, in dem sie frei sein können und nie erwachsen werden müssen.
Ein anderer Junge, Nick, ist auf der Flucht vor den Schlägern eines Drogendealers. Kurz bevor sie ihm etwas antun können, taucht der Junge mit spitzen Ohren und goldenen Augen auf – Peter – und rettet Nick vor den Schlägern.
Peter erzählt Nick von der magischen Insel Avalon, auf der Nick in Sicherheit sein wird. Natürlich nimmt Nick das Angebot an und geht mit Peter mit.
Bevor sie dort hingelangen, müssen sie durch das Reich des Nebels, welches von Ungeheuern, Menschenfressern und Trollen bevölkert ist. Der Weg ist beschwerlich und voller Gefahren. Nick sieht abgenagte Knochen am Wegesrand liegen, die große Ähnlichkeit mit denen von Menschen haben. Nick beschleicht das Gefühl, dass auch auf Avalon nicht alles so friedlich ist, wie er es sich vorgestellt hat und wie Peter es dargestellt hat.
Dieses Gefühl bestätigt sich, als Peter ihn den „Teufeln“ vorstellt, der Gruppe Kinder, die mit Peter zusammen auf Avalon wohnt. Es ist eine wilde Bande, die nur dem Recht des Stärkeren gehorcht: Wer zu schwach ist, um sich zu behaupten, bleibt nicht lange am Leben.
Deshalb sucht Peter auch immer weiter nach neuen Rekruten, die ihm im Kampf gegen die Menschenfresser des Kapitäns - sein ärgster Widersacher auf der Insel - unterstützen sollen. Denn die Herrscherin der Insel – die Dame von Avalon – ist geschwächt. Aufgrund ihrer schwindenden Kraft ist die Insel von der Zerstörung durch die „Fleischfresser“ (erwachsene Menschen) bedroht. Die Königin von Avalon ist eine Fruchtbarkeitsgöttin, die selber unfruchtbar ist und deshalb versucht, die Insel mit Kindern zu bevölkern, um das Loch in ihrem Herzen zu füllen - auch wenn die Insel so viele Gefahren birgt, dass kaum eines überlebt. Die, die überleben und erwachsen werden, werden von Peter verstoßen und schließen sich den Truppen des Kapitäns an - die ihrem Namen alle Ehre machen und tatsächlich Menschen essen, da es kaum anderes Fleisch auf der Insel gibt, dass sie verzehren können. Ihr Ziel ist es eigentlich, von der Insel wieder in die richtige Welt zu kommen, der Zauber der Insel verhindert dies aber. Um den Zauber und die Herrin der Insel zu schwächen, zerstören sie diese systematisch - was Peter zu verhindern versucht.
Hoher Gruselfaktor
Mich fasziniert Peter Pan schon immer. Sein Kampf gegen das Erwachsenwerden und die erwachsenen Piraten fesselt mich schon seit Kindheitstagen. In diesem Buch sehen wir eine düsterere Seite von Peter Pan, der die Kinder benutzt, um sich und seine Insel zu verteidigen.
Die sehr zahlreichen Kampfszenen sind gut beschrieben, anschaulich und nachvollziehbar. Die Szenen sind sehr actionreich, aber auch detailliert genug beschrieben, sodass ich mir sie sehr gut vorstellen konnte.
In den Rückblenden erfährt man mehr darüber, wie Peter zu dem wird, der er ist, und was mit seiner Familie geschehen ist. Er wurde von ihr schon als kleines Kind verstoßen, da sie ihn für ein Feenkind hielten und ließen ihn im Wald zum sterben zurück. Dort wurde er von einem Waldwesen gefunden, das ihn großgezogen hat und ihm beibrachte, wie man im Wald überlebt. Peter schlich sich aber häufiger zurück in die Welt der Menschen, in der er immer abgelehnt und beschimpft wurde - hauptsächlich von Erwachsenen, weshalb er diese hasst. Die Verknüpfung der mystischen Insel Avalon aus den Artus-Sagen und der Geschichte um Peter Pan finde ich gelungen.
Das Buch ist sehr grausam und spart weder an Blut noch an abgeschlagenen Körperteilen und herausgerissenen Eingeweiden. An mancher Stelle ist es mir zu viel – allerdings bin ich auch etwas zart besaitet.
Die Mischung aus Horror, Märchen, Sage und Mythos sorgt für viel Spannung, wenngleich es nicht unbedingt leichte Unterhaltung ist, die geboten wird.
Das Buch
- Brom, Gerald: Der Kinderdieb (Originaltitel: Child Thief). Aus dem Englischen übersetzt von Jakob Schmidt. PAN, 2010.
Michelle Szellas
14.04.2025, aktualisiert am 16.04.2025
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